Rossrüti, Wil (SG)
Studienauftrag «Oberdorf Rossrüti»
Projektwettbewerb: 2022
Visualisierungen: PYXEL GmbH
mit Mettler Landschaftsarchitektur
und F. Preisig Bauingenieure und Planer
Das ehemalige Bauerndorf Rossrüti bei Wil profitiert – eingebettet in einer sanften Talsituation — von einer topografischen Lagequalität und einem attraktiven Weitblick in die Hügellandschaft. Ortsbaulich prägend sind das feinmaschige, hierarchisch gegliederte Strassen- und Wegnetz in Zusammenspiel mit der locker aufgereihten Bebauung im Oberdorf (Quelle: ISOS).
Das Planungsgebiet spannt sich zwischen der bestehenden Bebauung von Rossrüti und dem Quartier Städeli-Neugruben auf. Auf drei Seiten ist es von heterogenen Bebauungsstrukturen umschlossen und grenzt an den Landschaftsraum an. Der anfängliche Gedanke einer Architektur auf der «grünen Wiese» weicht schnell einem integrativen Ansatz.
Die Auseinandersetzung mit der Bebauungslücke am Übergang Rossrüti-Wil hat eine Fülle von lokalen Qualitäten wie auch spezifischen Anforderungen mit in die Aufgabenstellung gebracht. Als Leitfaden formulieren wir sechs Ziele:
Ziel 1: Integration und massvolles Weiterbauen
Die Bauten werden ortsbaulich und topografisch integriert. Die Kleinteiligkeit wird aufgenommen und weiterentwickelt. Typische Elemente wie die lockere Gassenbebauung stiften Identität. Die Lücke im bestehenden Siedlungsmuster an der Friedbergstrasse wird mit einem Einfamilienhaus geschlossen. Dieses Grundstück könnte separat veräussert werden.
Beim Bau werden gebührende Abstände zu den bestehenden Gebäuden eingehalten. Die Bauten sind nicht starr angeordnet, sondern erfolgen nach Massgabe der Integration und Komposition.
Ziel 2: Vernetzung und Einbettung
Die neue Überbauung wird perfekt in das Dorfgefüge und den Landschaftsraum eingewoben. Die Setzung von zwei Reiheneinfamilienhäusern soll die Verwebung und dörfliche Vielfalt auch auf inhaltlicher Ebene fördern.
Das ortsbauliche Puzzlestück bietet Mehrwert: die Schulwege werden kürzer und attraktiver, bestehende Bushaltestellen schneller erreichbar und die Verbindungen fürs Velo sicherer. Eine Paketabholstation dient auch den umliegenden Liegenschaften. Der renaturierte Bachlauf, die Spielstrassen und Geräte sowie die neuen Aufenthaltsräume unter hochstämmigen Obstbäumen laden zum Kennenlernen der Nachbarschaft ein.
Ziel 3: Hochwertige Wohnsiedlung
In den Zwischenräumen entstehen attraktive und hindernisfreie Spiel- und Erschliessungstrassen, wo sich soziale Kontakte ergeben. Die Häuser sind den Wegen entlang angeordnet und bieten weitreichende Blickbezüge in die nahe und ferne Landschaft. Inmitten der Bauten liegt eine Streuobstwiese. Sie bringt kulturlandschaftliche Qualitäten ins Wohnumfeld.
Die Überbauung ist warm und wohnlich. Viel Holz umgibt die Bauten wie ein Baldachin. Die Holzelemente werden durch das Vorpatinieren einem gleichmässigen Alterungsprozess zugeführt. In den Loggien und Einzügen bietet als Kontrast Eichenholz in Naturton eine wohnliche Atmosphäre.
Ziel 4: Nachhaltigkeit
Das Projekt trägt dem Klima Rechnung. Der Aushub wird minimiert und es wird Recycling-Beton verwendet, um die graue Energie zu reduzieren. Die gut gedämmte Fassade mit dem konstruktiven Holzschutz ermöglicht eine nachhaltige Bauweise, welche sich am Eco-Bau orientiert.
Die Loggien ermöglichen eine hohe Tageslichtausnutzung. So müssen die angrenzenden grossflächigen Verglasungen auch bei starker Sonneneinstrahlung nicht zusätzlich beschattet werden. Erdsonden, kombiniert mit PV-Anlagen / solarer Warmwassererzeugung auf den extensiv begrünten Flachdächern und Komfortlüftungen sorgen für eine energieeffiziente und nachhaltige Siedlung. Das Dachwasser kann zur Bewässerung der privaten Gärten genutzt werden.
Der Freiraum ist ökologisch wertvoll gestaltet: Der renaturierte Krebsbach bietet biodiversen Lebensraum und Kleintieren wie Igeln eine willkommene Trinkstätte. Hochstammobstgärten, früher hier dominierend, zählen zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Das Nahrungs- und Rückzugsangebot soll mit ruderalen Flächen entlang der Wege ergänzt werden. Rankgerüste entlang der Fassaden sorgen für Privatsphäre und Schatten in den Loggien, und dienen zusätzlich der Vernetzung von Lebensräumen.
Auf der Krebsbachstrasse wird das Tempo reduziert. Die Strasse wird auch von übermässigem Verkehrsaufkommen entlastet. Für den höchstmöglichen Entsiegelungsgrad werden alle Abstellplätze für Motorfahrzeuge unterirdisch angeordnet. Das dichte Velo- und Fusswegnetz ist bis zu den Hauseingängen komfortabel fahrbar.
Ziel 5: Integration in die Kulturlandschaft
Das Konzept greift die für Rossrüti typische Mischung aus Vorgärten und befestigten Vorplätzen auf. Hier entsteht ein Wohnquartier, das den Wunsch vom Wohnen im Grünen und die Nähe zu attraktiven Dorfstrukturen vereint. Zum Gebäude hin werden kleine Vorgärten ausgebildet und mit niedrigen Sitzmauern aus Stampfbeton eingefasst. Mit Stauden und Sträuchern bepflanzt, sorgen sie für den nötigen Sichtschutz zu den Erdgeschosswohnungen.
Zur offenen Landschaft und zum Naturkorridor in der Mitte sind die Neubauten in eine Blumenwiese eingebettet. Diese nehmen die Charakteristik der Landschaft auf und führen sie in der Siedlung weiter. Einzelne grosskronige Obstbäume (Wildkirschen, Birnen, Äpfel und Nussbäume) ergänzen das Erscheinungsbild und gliedern den Freiraum. In Inneren der Siedlung entlang der «Gasse» werden kleinere Obstarten und Sträucher gepflanzt, die in direkter Nachbarschaft zu den Wohnungen durch Stauden, Ziergras und Kräuter ergänzt werden. Freistehende Gruppen von Pfirsich (Prunus persica), Feigen (Ficus carica) und Zieräpfel (Malus domestica) verleihen der Siedlung einen mediterranen Gartencharakter. Zusammen mit den grosskronigen Linden (Tilia cordata), Edelkastanien (Castanea sativa), Vogelkirschbäumen (Prunus avium) und Tulpenbäumen (Liriodendron tulipifera) sorgen sie im Herbst mit ihren farbigen Blättern für einen spannenden Akzent.
Mit einzelnen Trittstufen ist das flach ausgebildete Ufer des renaturierten Krebsbaches direkt erreichbar. Die Baumpflanzung dort erfolgt mit unterschiedlichen, heimischen Baumarten. Neben grosskronigen Arten (Wildkirsche, Ahorn, Linde und Nussbaum) ergänzen kleinere, strauchartige Arten das Erscheinungsbild und gliedern den Freiraum.
Ziel 6: Hochwertige Wohnungen
Die sonnigen und vielseitigen Wohnungen sind für Familien, Paare oder Singles gleichermassen attraktiv. Über einen gedeckten Eingang betritt man das hindernisfreie Treppenhaus. Pro Geschoss sind jeweils zwei Wohnungen angeordnet.
Alle Wohnungen verfügen über Aussenräume: einen zur Morgensonne hin (oder um im Hitzesommer Schatten zu suchen), den anderen optimal süd-westlich orientiert. Die grosszügige Loggia bietet viel Privatsphäre. Die geräumigen Nasszellen verfügen dank Tageslichtbezug über eine hohe Wertigkeit.
Dank dem starken Umgebungsbezug eignen sich die Erdgeschosswohnungen mit einem zusätzlichen Zimmer vor allem für Familien. Der reduzierte gedeckte Aussenraum wird durch direkten Austritt auf grosszügige Umgebungssitzplätze mehr als kompensiert.