Hauptgasse, Appenzell (AI)

Wettbewerb 1. Rang: Umbau Raiffeisenbank Appenzell

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1. Rang Projektwettbewerb 2010, Fertigstellung 2012
ARGE mit Jeannette Geissmann und zülligarchitektur
Fotos: Jean Claude Jossen

An der Hauptgasse in Appenzell soll die Raiffeisenbank vergrössert, zeitgemäss angepasst und in neuem Glanz erscheinen. Das Gebäude aus dem Jahre 1560 trägt ein wertvolles Erbe in Baustruktur und Kunstschätzen. Das Projekt wollte diese Strukturen grosszügig befreien und wieder zum Leben erwecken. Charakteristische Elemente des historischen Altbaus sind das Holztreppenhaus, das Barockzimmer als Kundenberatungsstube, das blaue Zimmer der Geschäftsleitung sowie die bedeutende Renaissancewandmalerei der Kundenstube. Der Charakter der Stubenbank sollte erhalten bleiben. Eine warme und lebendige Atmosphäre geprägt von Sandsteinboden im Kundenbereich, Ulmenparkett in den Obergeschossen, Holzeinbauten, weissen Wänden und hellen Bürozonen gestalten die Räume. Die zwei Entwurfsgrundsätze, Wiederbelebung des historischen, zentrisch angeordneten Zugangs, sowie der neue gläserne Lift verschaffen der Bank eine komplette Neuorganisation und Übersichtlichkeit.

Situation

An der Hauptgasse 41 liegt das ehrwürdige, klassizistische Bankgebäude. Die Hauptgasse ist die wichtigste Einkaufsstrasse, welche immer wieder Einheimische wie auch viele Touristen zum Einkaufsbummel lockt. Das Projekt möchte dieser wertvollen Lage Rechnung tragen und den Eingang wieder an den historischen Platz an der Hauptgasse zurückversetzen. Der Bezug zur Hauptgasse wird so bedeutend gestärkt, wodurch die Raiffeisenbank einen entscheidenden Beitrag zur Belebung dieser Gasse leistet oder gar eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Im Zuge der Aufwertungen verschiedenster Innenstädte ist es auch in Appenzell denkbar, dass die Fussgängerzone der Hauptgasse weitergezogen wird. Der Kronengarten dient heute vorwiegend als Parkplatz. Er könnte mit einer angemessenen Begrünung bedeutend aufgewertet werden und so dem geschichtsträchtigen Landesgemeindeplatz ein ergänzendes Gegenüber sein. So soll an der Westfassade des Bankgebäudes zum Kronengarten hin, zwischen Heckenkörper und Baum, Raum für vier Kundenparkplätze lassen.

Gebäudetypologie und Konzeption

Zwei grundlegende Freilegungen ermöglichen das Gesamtkonzept des Projektvorschlags. Zum einen die Wiederbelebung des historischen zentrisch angeordneten Zugangs, der einen grosszügigen Eingangsraum bietet und die Kundenstube vollflächig nutzbar macht. Zum anderen der Ersatz des bestehenden Lifts und eine Neupositionierung neben dem Treppenhaus an der Südfassade. Der neue Glaslift in behindertengerechter Ausführung kann dank seiner Lage unter dem Dachfirst bis ins 3. Obergeschoss geführt werden. Diese Intervention schafft offene und übersichtliche Erschliessungsbereiche in Kunden- und Mitarbeiterzone, die sowohl räumlichen Strukturen des Hauses gerecht wird, wie auch einfache Erschliessungswege schafft. Das Erdgeschoss beherbergt mit Ausnahme der Wertzone und des Frontoffice die offene Kundenzone. Das 1. Obergeschoss ist eine Mitarbeiterzone wie auch begleitete Kundenzone. Das 2. und 3. Obergeschoss sind interne Mitarbeiterzonen.

Eingang

Eine grosszügige Eingangspartie mit Bancomat und Briefkasten zeugt in Form seiner gläsern hinterleuchteten Erscheinung vom heutigen modernen Leben in der Bank. Man betritt über den Windfang den Vorraum in seiner historischen Grösse, der auch als Kundenwarteraum dienen kann. Hier ist der Zugang zu sämtlichen vertikalen Erschliessungen sowie der Kundenstube und Frontoffice links und Besprechungsstuben rechts. Ein Boden aus Sandsteinplatten und mächtige, tragende Wände treffen hier auf eine filigrane gläserne hinterleuchtete Erschliessungszone. Zusätzlich zum leuchtenden Liftkern bringen Wandleuchten eine indirekte Grundausleuchtung.

Kundenstube und Beraterstuben

Der Charakter der Stubenbank soll erhalten bleiben. Eine warme und lebendige Atmosphäre geprägt von Holzboden, Holzdesk, weisser Hülle und offener Bürozone prägt die Kundenstube. Die bedeutende Renaissance Wandmalerei ziert den zurückhaltend gestalteten Raum in einmaliger Weise. In den Boden eingelassene Bandleuchten betonen Kunstwerk und Frontdesk. Wandleuchten erhellen die Decke und bilden die Grundausleuchtung.

Bürozone in den Obergeschossen

Diese Zone umfasst sämtliche Arbeitsplätze für Kredit- und Finanzberatung, sowie Leiter Finanzberatung, Assistenz Bankleitung, Zahlungsverkehr, Logistik, Back-Office und Leiter Backoffice sowie Kredit und Wertschriftenadministration. Die Bürozone zeichnet sich durch eine offene Raumabfolge der bestehenden Zimmerstruktur aus. Weiss gestrichen, getäfelte Wände, Kassettendecken und ein Teppichbelag bilden eine ruhige Einheit. Die Möblierung reiht sich regelmässig entlang der Fassade auf. Stehleuchten für indirektes Licht an die Decke und direktes Licht auf die Arbeitsflächen reihen sich in die Struktur ein. Die Aktenschränke und weiterer Stauraum sind in einer durchgehenden Schrankfront integriert.

Das blaue Zimmer

Eine Ausnahme der Bürozone bildet das blaue Zimmer des Vorsitzenden der Geschäftsleitung. Die schützenswerte blau gestrichene Täfelung und das Parkett zeichnen dieses besondere Zimmer aus. Hier findet sich nebst Arbeitsplatz noch ein Besprechungstisch. Die Beleuchtung erfolgt indirekt über Wandleuchten um den Raum gesamthaft aufzuhellen. Zusätzliche Leuchten bei Arbeitsplatz und Beratungstisch sorgen für optimales Licht und akzentuieren die verschiedenen Nutzungen.

Barockzimmer

Das reich getäferte Barockzimmer im 1. Obergeschiss dient als Kundenberatungsstube für besondere Gelegenheiten. Es ist integral schützenswert und wird nicht angetastet. Die Beleuchtung erfolgt jedoch indirekt über Pendelleuchten um den gesamten Raum aufzuhellen. Zusätzliche Ausstattungsleuchten schaffen Atmosphäre.

Dachraum und Workshop

Einen vielseitigen Raum stellt der offene Dachraum dar. Das 3. Obergeschoss wird im Mittelbereich von der heruntergehängten Decke befreit und das Gebälk des Dachstuhls sichtbar gemacht. So entsteht hier ein flexibler Raum für interne Sitzungen und Schulungen. Der Gewinn an Raumhöhe ermöglicht nebst der Grosszügigkeit auch eine bessere Belichtung in die Tiefe, die durch eine indirekte Deckenbeleuchtung verstärkt wird.

Erschliessungszonen

Sie setzen sich sinngemäss aus einem historischem Teil und einem Hightechteil (Liftkern und dazugehörigen Sanitärblock) zusammen. Der Lift- Sanitärblock setzt sich aus einer Metall-Glaskonstruktion mit unterschiedlichen Transparenzen zusammen. Er versinnbildlicht durch seine Hinterleuchtung und gläserne Erscheinung die Modernität, die die historische Struktur durchdringt und zugleich erschliesst.

Technik

Die Technikzentrale mit Heizung, Sanitär und Elektro befindet sich im Untergeschoss. Eine Steigzone parallel zum Liftschacht führt vom Untergeschoss bis über das Dach. Die Heizkörper der Zentralheizung werden beibehalten. Der Serverraum befindet sich neu im Nebenraumteil des Dachgeschosses. Lüftungen werden im EDV-Raum und den Sanitärraumen verwendet.

Fotografien:
Jean-Claude Jossen
Anna-Tina Eberhard