Winkeln, St.Gallen

1. Ankauf | 2.Rang : Ersatzneubau Wohnhäuser Altwinkelnstrasse

Hofvisu finito

Projektwettbewerb: 2023
Zusammenarbeit mit SME Architektur und Mettler Landschaftsarchitektur
Visualisierungen: PYXEL GmbH

Auszug aus dem Bericht des Preisgerichts

Die drei polygonalen, kreisförmig angeordneten Körper passen sich sehr gut in die heterogene Umgebung ein. Durch ihre Abstufungen in Höhe und ihrer Geometrie schaffen sie einen Bezug zu den in ihrer Massstäblichkeit sehr unterschiedlichen Baukörper, welche sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befinden, inklusive der skulpturalen Kirche. Ebenso ergeben sich immer wieder neue Sichtbezüge zwischen den gewinkelten Gebäudekörper hindurch. Die Durchwegung und Erschliessung funktionieren einerseits sehr gut für die neuen Baukörper andrerseits auch für die Anbindung an das Quartier.

Ein wenig invasiver Umgang mit dem Terrain macht, dass die Tiefgarage kompakt unter dem Gebäude an der Altwinkelstrasse über zwei Geschosse angeordnet ist. Diese Anordnung erlaubt es, dass eine grosse Freifläche zwischen den Häusern für die Versickerung des Wassers und dem Anpflanzen von Bäumen zur Verfügung steht.

Die einzelnen Gebäudekörper sind jeweils effizient mit einem grosszügigen Treppenhaus erschlossen und erlauben den Zugang zu jeweils bis zu drei Wohnungen. Die Wohnungen haben eine mehrseitige Ausrichtung durch die polygonalen Gebäudekörper. Der Wohnraum spannt sich jeweils um die Loggia auf und ist in Wohn- und Essbereich unterteilt. Die Zimmer sind unabhängig des Wohnbereichs erschlossen. Die Wohnungen im Hochparterre haben ebenfalls Loggien als Aussenraum und haben so eine gewisse Rückzugsmöglichkeit vom gemeinschaftlichen Aussenraum. Es gibt keine abgegrenzten Sitzplätze im Aussenraum.

Das Freiraumkonzept ist sehr überzeugend mit einer guten Durchgrünung des ganzen Areals. Die verschiedenen Aufenthaltsorte wie auch der zentrale Platz mit dem Baum und der Spielstation sind gut angebunden an die Durchwegung, welche vom öffentlichen Raum und Aussenraum der Kirche auch zu den einzelnen Hauseingängen führt. Es ist zudem ein Projekt, dass versucht die bestehenden wertvollen Bäume zu erhalten, «…». Aber es bleiben gute Plätze für plausible Ersatzpflanzungen erhalten, da ein grosser Anteil des Areals nicht unterbaut wird.

Das Projekt erfüllt die Anforderungen an die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit mit den auf den Plänen erkennbaren Angaben.

 

Das Projekt überzeugt auf allen Ebenen und Massstäben: vom Städtebau bis zu der Wohnqualität. Der Beitrag zeigt, wie eine Verdichtung am Ort möglich wäre mit einem sehr vorbildlichen, wenig invasiven Umgang mit dem bestehenden Freiraum. Leider musste es aufgrund einer Verletzung des Baugesetzes in dem 1. Rundgang ausgeschieden werden «…».

Entstehung – Winkeln, früher urbaner Ortsteil von St. Gallen

Mit der Industrie, die sich schon im 17. Jahrhundert mit den Mühlen am Bach und im 19. Jahrhundert mit der Eisenbahn in Winkeln ansiedelte, kamen auch Wohnbauten, welche sich entlang der Herisauerstrasse entwickelten. Die Wettbewerbsparzelle befindet sich östlich der Herisauerstrasse im heterogen gebauten Gebiet, unmittelbar neben der expressiv modernen Bruder Klaus Kirche. Die Kirche bildet zusammen mit den zerstreuten Wohnbauten eine Art Insel zwischen den strassen-ausgerichteten Punktbauten an der Hauptstrasse und den strengen Zeilen an der Altwinkelnstrasse.

St. Galler Genossenschaft

Das Bautenensemble schafft einen eigenständigen und belebten Quartierteil inmitten von Winklen. Die räumliche Offenheit und der landschaftlich gestaltete Innenhof folgen dem genossenschaftlichen Gedanken. Die Wohnbaugenossenschaft Lerchenfeld nimmt eine Vermittlerrolle innerhalb Winkelns ein. Begegnungen vor dem Eingang oder im Hof sind erwünscht, doch lässt die Flexibilität der verschieden ausgerichteten Wohnungen auch Orte des Rückzugs zu. Die Wohnungen sind bewusst nicht nur in den Innenhof gerichtet sondern lenken den Blick in das umliegende Quartier hinein. Die halböffentlichen Dachgärten können von den Mietern der verschiedenen Häuser genutzt werden. Durch die hellen Treppenhäuser werden die Gärten erschlossen. Diese bieten eine willkommen Abwechslung zur wohnungsinternen Loggia.

 

Städtebau und Setzung

Die offene und mehrseitig orientierte Bauweise integriert sich mit rechtwinkligen Gebäudeteilen in die bestehenden Bebauungsstruktur und lässt dank flachen Winkeln der inneren Bautenschenkel den zentralen Weitblick in die Ferne frei. Die Volumina schaffen eine Vernetzung der bestehenden Bebauungsmuster und Freiräume. Entlang der Altwinkelnstrasse begleitet das Volumen die Strassenflucht und schafft mit dem Abdrehen des südlichen Gebäudeteils ein Portal mit dem westlich liegenden Volumen. Damit wird ein Raum mit den gegenüber liegenden Gebäuden aufgespannt. Das Gebäude am Blériotweg orientiert sich an der bestehenden Baumsubstanz. Nördlich der Parzelle sitzt ein punktähnliches, kürzeres Volumen, welches die anliegenden Freiräume fasst und zur Kirche hin vermittelt. Durch die Anordnung der drei schwimmenden Gebäude spannt sich im Zentrum ein Hof auf, welcher mit einem organisch geformten Wegnetz für alle zugänglich ist. Die Blickachse zur einmaligen Bruder Klaus Kirche bleibt erhalten. Das orthogonale Ensemble zusammen mit dem Pfarrhaus bleibt trotz nachbarlicher Intervention in seiner Integrität ungestört. Die Kirche erhält eine lebendige neue Nachbarschaft in offener Bauweise.

Freiraum

Die Setzung der Volumina nimmt Rücksicht auf den Baumbestand. Dieser wunderbaren Basis wird ein durchlaufendes Wegnetz beigelegt. Nicht nur durch die Gebäude soll eine Vernetzung stattfinden, sondern vor Allem auch Dank des Aussenraums. Die bewährten Verknüpfungen der bestehenden Anlage werden übernommen und mit kleineren Pfaden ergänzt. Im Innenhof mit Spielplatz kreuzen sich alle Wege und führen die Bewohner und Gäste zu ihren individuellen Zielen. Die ausgestreckten Gebäudearme liegen in den Gartenzonen, welche durch einen für Menschen nicht aktiv genutzten Bereich abgeschlossen werden. Die Grünfläche wird mit wertvollen Öko- und Staudenflächen sowie Sträuchern aufgewertet. In den verschiedenen Zonen auf der Parzelle findet man auch stille Gewässer und wilde Ecken, welche auch für die Gartentiere Nischen bietet. So wie das Treppenhaus für die Bewohner die Verbindung der Lebensräume ist, werden auch die Lebensräume der Insekten durch die verbindenden Pflanzspaliere vernetzt. Die Biodiversität und die Vielfalt verschiedener Organismen soll gelebt werden. Die Bewohner und Gäste können sich durch verschiedene gemeinschaftliche Angebote naturnah bewegen. So stehen Ihnen Kompostbereiche, Feuerstelle, Hochbeete, Gartenschränke auf den Dachgärten und Spielbereiche zur Verfügung.

Grundrisse

Die Eingänge und die Adressierung befinden sich im Innenhof. Nicht das anonyme Ankommen und Verschwinden in die Wohnung ist erstrebenswert, sondern die Begegnung im öffentlichen – und halböffentlichen Raum. Über den überdeckten Einzug gelang man in das Treppenhaus, welches die verschiedenen Bereiche verbindet. Die Wohneinheiten in Erdgeschoss liegen auf Hochparterrelevel, damit die nötige Privatsphäre gewahrt wird. Die Ausrichtung der einzelnen Wohnungen ist unterschiedlich und deckt die verschiedenen Bedürfnisse ab. Das Wohn- und Esszimmer arrangiert sich um die Loggia herum. Diese kann auch als Jahreszeitenzimmer genutzt werden und ist multifunktional. Der Wohnraum kann mit einem Schaltzimmer erweitert und vergrössert werden. Die Zimmer sind wohl proportioniert und die Zwischenräume befreit und angenehm nutzbar.

Fassade und Schnitt

Die Fassade übernimmt die Idee der Mehrfachorientierung. Die Oberfläche gestaltet sich als umlaufende Abwicklung ohne Vor- und Rückseiten zu bilden. Der monolithische Baukörper wird durch geschosshohe Fensterzüge vertikal gegliedert. Die Loggien an den Gebäudeecken übernehmen als grösseres Pendent das gleiche Prinzip. Die Loggiaverglasung bewirkt ein natürliches Spiel durch die verschiedenen Öffnungsmöglichkeiten und Anwendungen der Gläser (Jahreszeitenzimmer). Ein Rillenputz auf dem Einschalenmauerwerk unterstreicht die murale Erscheinung. Es zeichnet sich ein feines Relief an der Fassade ab, welches sich je nach Lichtverhältnis und Betrachtungswinkel ändert. Der Dachabschluss auf verschiedenen Höhen wird durch die Dachbegrünung begleitet. Das Attikageschoss zeichnet sich nicht ab, sondern gehört zum Hauptvolumen. Wie die Gebäude ‘Arme’, welche sich in die Umgebung und um die Bäume strecken, formt sich das Dachgeschoss in die Höhe. Auf dem oberen Dachlevel finden auf rund 650m2 PV-Module und eine extensive Begrünung Platz.

Um die Gegebenheiten des bestehenden Terrains nachhaltig und optimal auszunutzen, wird eine kompakte Tiefgarage von der Altwinkelnstrasse her erschlossen und umfasst zwei Etagen. Über ein Haupttreppenhaus und den Innenhof gelangen die Bewohner zu ihren Wohnungen. Dies vereinfacht die Tiefgarage und schafft ein nachbarliches Miteinander im täglichen Leben. Von jedem Gebäude ist nur der nötige Teil unterkellert. Im Untergeschoss finden Trocknungsräume, Kellerräume und Technikräume Platz. Im östlichen Gebäude ist der Veloraum für alle Bewohner ebenerdig angesiedelt.

Konstruktion und Nachhaltigkeit

In Ergänzung zur äusserst dauerhaften und unterhaltsarmen Massivbauweise wird ein hohes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit gelegt: Der Aushub wird minimiert und das überschüssige Erdmaterial soweit möglich auf dem Grundstück für Terrainkorrekturen wiederverwertet. Dabei wirkt sich die geringe Unterbauziffer positiv auf die stark biodiverse Freiraumgestaltung aus. Die hochgedämmte Gebäudehülle minimiert den Verbrauch von Energie über die gesamte Lebensdauer. Um graue Energie zu sparen sind die Aussenwände als Einsteinmauerwerk konstruiert (Hohlräume mit Schweizer Schafwolle gedämmt). Wo möglich wird für die Betonarbeiten Recycling-Material verwendet. Erdsonden dienen fast Co2-neutral der Beheizung wie auch der Kühlung der Räumlichkeiten (die im Sommer abgeführte Wärme kann dabei für den Winter im Erdreich gespeichert werden). So kann in den Wohnungen mit der leichten Kühlung über die Bodenheizung den sich ändernden äusseren Einflüssen Rechnung getragen werden. Alternativ kann ein Anschluss an das städtische Fernwärmenetz geprüft werden. Eine einfachste Nachström-Lüftung sorgt auch in den gefangenen Nasszellen für ein gutes Raumklima. Ergänzt wird die Haustechnik durch die PV-Module auf den oberen Flachdächern.